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Ada Augusta Byron - Countess of Lovelace
(1815 - 1852)

entnommen aus:
Ute Hoffmann, Computerfrauen - Welchen Anteil haben Frauen an der Computergeschichte und -arbeit?,
1987, Rainer Hampp Verlag, München
Heinzgünther Klaus, Jenseits von Bits und Bytes, 1980, Verlag der Honeywell Bull AG, Köln

Am 10. Dezember 1815 bringt Anne Isabella Lady Byron in London eine Tochter zur Welt - Ada Augusta. Zwei Monate darauf trennt sie sich von ihrem Mann George Gordon Byron. Um die Gründe und genauen Umstände dieser Trennung rankt sich damals und später viel Spekulation. Für Lord Byron, als exzentrische Figur "Romantiker sowohl im Leben wie im Werk" (Meyers Handbuch über die Literatur) und erfolgreicher Dichter die Attraktion auf den Parties der Londoner Gesellschaft - ist die Trennung Anlaß für ein "freiwilliges Exil". Byron verläßt England und kehrt bis zu seinem Tod 1824 nicht mehr zurück. Ada lernt ihren Vater nie kennen. Von allem gesellschaftlichen Klatsch ferngehalten, verbringt Ada ihre Kindheit bei der
zurückgezogen lebenden Mutter. Umgeben von Dienstboten und Kindermädchen wird Ada zu Hause unterrichtet - den Konventionen adeliger Familien entsprechend und unter steter Kontrolle ihrer Mutter. Ungewöhnlich ist ihre frühe Unterweisung in Mathematik und Astronomie. Nach ihrer ersten Hauslehrerin wird William Fend, ein ehemaliger Cambridge-Professor, ihr Hauslehrer, dann intellektueller Gesprächspartner und Vertrauter auch in späteren Jahren. Zwischen ihrem 13. und 17. Lebensjahr phasenweise durch eine Lähmung der Beine ans Haus gefesselt, verbringt Ada ihre Zeit mit Lernen. Nach Byrons Tod bereist sie mit ihrer Mutter den Kontinent (1826 - 1828). Zu Beginn der 30er Jahre ziehen Ada und ihre Mutter nach Middlesex, in die Umgebung von London. Ada lernt dort Mary Somerville kennen. Diese hilft ihr bei ihren Studien, und ihrem Vorbild als Mathematikerin eifert Ada nach. Als Ada - achtzehnjährig - 1833 in die Londoner Gesellschaft eingeführt wird, bleibt Mary Somerville für die folgenden Jahre ihre bevorzugte Anstandsdame, denn sie verschafft Ada den begehrten Zugang zu den wissenschaftlichen Zirkeln und den "scientific people" von London. Der Mathematiker und Projektemacher Charles Babbage ist eine der Hauptfiguren dieser "Szene". Ada lernt ihn 1833 auf einer Party kennen. Sie besucht technische Ausstellungen und Vorträge zu wissenschaftlichen Themen und sucht vor allem den Kontakt zu Charles Babbage zu vertiefen. Auf einer seiner Abendgesellschaften nimmt sie Teil an der Vorführung eines Demonstrationsmodells der "Difference Engine". Ada besucht 1833 und 1834 eine Vorlesungsreihe zur "Difference Engine" und bereist 1837 mit ihrer Mutter die Industriebetriebe in den Midlands. Lady Byron, zeitlebens religiös engagiert und sozial-karitativ tätig, hatte eine Berufsschule gegründet, an der auch Ada in den 30er Jahren kurzfristig Arithmetik unterrichtet. 1835 heiratet Ada den vierzehn Jahre älteren Lord Kind. Aus dieser Zeit stammt ein Porträt von der Malerin Margret Carpenter. Ada kritisiert, das Bild betone ihre Weiblichkeit und verhülle ihren Intellekt. Durch ihre Heirat sieht sich Ada vor die Aufgabe gestellt, mehrere Haushalte zu führen: ein Stadthaus in London und mehrere Landsitze. In vier Jahren bringt sie drei Kinder zur Welt. Die Beziehung zu Charles Babbage bricht in dieser Zeit nicht ab, denn dieser besucht Ada und ihren Mann auf ihrem Landsitz in Ockham Park. Der Kontakt zu den wissenschaftlichen Zirkeln Londons jedoch wird durch ihre Schwangerschaften unterbrochen. Nach einer schweren und langwierigen Erkrankung, die auf die Geburt ihrer Tochter 1837 folgte, ist Ada umso mehr vom wissenschafts-geselligen Leben abgeschieden. 1838 wird Lord King zum Earl of Lovelace. Sie ist fest entschlossen, auch nach der Geburt ihrer Kinder ihr "mathematical scrapbook" weiterzuschreiben und ihre mathematischen Studien fortzusetzen. Trotz wiederholter Versuche gelingt es Ada nicht, einen anderen "instructor" zu finden, nachdem ihr alter Hauslehrer William Fend, mittlerweile weit in den 80ern, dazu nicht mehr in der Lage ist. Sie verfehlt zunehmend sowohl ihre eigenen Ansprüche an den Fortgang ihrer mathematischen Studien als auch die Anforderungen, die an sie von außen als Ehefrau und Mutter gestellt werden. Sozialen Verpflichtungen und Ereignissen entzieht sie sich. 1840 nimmt Ada mit Augustus de Morgan, dem Schwiegersohn William Fends und ehemaligen Professor für Mathematik an der neugegründeten Universität London, eine ausgedehnte Korrespondenz auf - einen "Fernkurs" in Mathematik. Nachdem sie Babbage wiederholt ihre Unterstützung angeboten hatte, legt sie ihm 1842 die
englische Übersetzung eines "Memoir" vor, in dem der italienische Militäringenieur Menabrea nach einem Vortrag von Babbage die "Analytische Maschine" beschrieben hatte. Unzufrieden mit dem Verlauf der Arbeiten an der "Difference Engine" hatte Babbage Pläne für die Konstruktion einer weiteren, leistungsfähigeren und breiter einsetzbaren Rechenmaschine entworfen, die er "Analytical Engine" nannte. Babbage, dem manche eine chronische Unfähigkeit zur Dokumentation seiner Arbeiten nachsagen, ermuntert Ada, die sich intensiv mit dieser Maschine befaßt hatte, selbst etwas
zu schreiben. Das tat Ada. Ihr mathematischer Durchblick ging dabei so weit, daß sie Ungereimtheiten in
Babbages Ablaufschema zur Errechnung Bernoullischer Zahlen entdeckte - es war dies die erste verbürgte Fehlerfindung in einem "Computerprogramm". Charles Babbage lobte die kluge junge Dame, die offenbar besser als die Kollegen die Bedeutung der "analytical" engine begriff. Das für damalige Vorstellungen recht ungleiche Wissenschaftler-Paar arbeitete von nun an eng zusammen, wenn es darum ging, die Grundlagen der Systemprogrammierung transparent zu machen. Auf einigen Gebieten der Umsetzung von Formeln in Funktionsschritte - heute würde man "Codierung" sagen -, stellte Ada Gräfin Lovelace ihren Lehrmeister in den Schatten seiner eigenen Maschine. Die Lady war zweifellos eine Sensation in der britischen Society und geriet zum Thema unzähliger vornehmer Tee-Stunden. Auch jetzt noch geht von den Notizen der ersten Daten-Dame eine seltsame Faszination aus, denn die Eleganz ihrer Programmierung würde mancher EDV-Anlage des 20. Jahrhunderts zur Glorie gereichen. Ihr Know-how artikulierte Lady Lovelace geschickt und anschaulich - bisweilen untermischt mit prophetischen Zwischentönen: "Die Analysemaschine", vermerkt sie einmal, "erhebt keinen Anspruch darauf, etwas Originäres zu schaffen; sie führt das aus, was wir, aus unserem Wissen heraus, ihr vorschreiben." Sie reflektierte auch über das Problem der bedingten Verzweigung und erläuterte die Prozedur. Sie erfand das Zählregister für iterative Abläufe, konzipierte ein binär-arithmetisches Rechenverfahren und erträumte sich programmiertechnische Kniffe, die vor dem Siegeszug der modernen EDV eigentlich kaum denkmöglich gewesen sein konnten. Um das Genie der Engländerin gebührend zu beurteilen, muß man sich vergegenwärtigen, daß das Ursprungsmodell des 1944 konstruierten Automatic Sequence Controlled Calculator in seinem Befehlssatz noch keinen Sprungbefehl enthielt; der wurde erst später hinzugefügt, obwohl die Methode bereits sein hundert Jahren in Lady Lovelace' nachgelassenen Schriften stand. Die Übersetzung und Anmerkungen Adas erscheinen 1843 - signiert nur mit den Anfangsbuchstaben ihres Namens. Sie setzt sich zum Ziel, gemeinsam mit Babbage die "Analytische Maschine" bis zur Funktionsreife zu entwickeln - ein Ziel, das weder sie noch Babbage erreichen werden. Die "Analytical Engine" wird zu ihren Lebzeiten nie gebaut werden; später heißt es, die Feinmechanik sei dazu noch nicht weit genug entwickelt gewesen. Ada klagt in dieser Zeit wiederholt, wegen der Kinder nicht wissenschaftlich arbeiten zu können. Eine erneute Krankheit kommt dazu. Der Zugang zu Büchern und Manuskripten, ihren wichtigsten Arbeitsmitteln, gestaltet sich schwierig. Sie ist dabei
auf ihren Mann angewiesen, der ihr Material aus den Bibliotheken, zu denen sie selbst als Frau keinen Zugang hat, beschafft. Adas mathematisches Talent und die Ergebnisse ihrer Arbeit werden anerkannt. Ada selbst bleibt diese Anerkennung jedoch weitgehend verborgen. Menabrea lobt Adas Übersetzung seines "Memoir" und ihre Anmerkungen - erstaunt, daß sich hinter den Initialen A.A.L., die Ada auf Rat ihres Mannes hin verwendet hatte, eine Frau verbarg. Augustus de Morgan, ihr augenblicklicher "Lehrer" schildert unabhängig davon Adas mathematisches Talent in einem vertraulichen Brief an Lady Byron. Babbage schlägt nach der Veröffentlichung von Adas Übersetzung und Anerkennung eine weitere Zusammenarbeit aus. Ada spielt kurz mit dem Gedanken, Prinz Alberts wissenschaftliche Beraterin zu werden. Sie versucht sich als Übersetzerin wissenschaftlicher Artikel. Ihre Interessen verlagern sich auf die Erforschung der Elektrizität und sie wendet sich Michael Faraday zu. Auch dieser lehnt Ada als Studentin und Mitarbeiterin ab. Ada entwirft für sich eine neue Karriere als Musikerin - auf
der Harfe war sie schon als Kind unterrichtet worden und ihre musischen Interessen hatte sie neben ihren wissenschaftlichen Studien stets weiterverfolgt. In Geldnöten beginnt sie 1850, sich an Pferdewetten zu beteiligen. Anders als bei Lady Byron, die autonom über ihr Vermögen verfügte, wurden Adas Finanzen von ihrem Mann und ihrer Mutter verwaltet. Zunehmend verschuldet, versetzt sie zweimal Familienschmuck. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich zunehmend. Am 27. November 1852 stirbt Ada , 36 Jahre als, in London an Gebärmutterkrebs. Ada Augusta Countess of Lovelace kam posthum zu Ehren, als ihr die computerbefaßte Fachwelt 1979 ein symbolisches Denkmal setzte: Die "Green Language", so der bis dahin gängige Arbeitstitel, wurde in "ADA" umbenannt. Es handelt sich um eine "high order language" für Real-Time-Programmierung, die das amerikanische Verteidigungsministerium in Auftrag gab und die eine von Jean Ichbiah geleitete Forschungsgruppe der Cii Honeywell Bull anwendungsreif entwickelte. Der Präsident der Französischen Republik ehrte den Team-Leiter, indem er ihm das Kreuz der Ehrenlegion verlieh. Wenn also das US-Militär mit seiner umfänglichen EDV echtzeitlich ADA redet - eine französische Sprache mit englischem Wortschatz -, dann schwingt bei jedem Befehl ein kleiner Anerkennungsimpuls mit, ein Erinnerungsbit an die wenig bekannte Tatsache, daß der erste Programmierer der Welt eine Frau war!

 
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