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Ein Computerraum für Frauen an der Uni Karlsruhe

von Martina Keller


Männerfrei am Rechner

So viel Aufregung gab es lange nicht an der Technischen Universität Karlsruhe. Wenn die elektronische Pinwand überquellen könnte, in diesem Falle hätte sie es längst getan. Mehr als zweihundert Diskussionsbeiträge gingen ein zu einem Vorgang, der, wie Prorektor Manfred Schneider staunend feststellte, die geplante Schließung einer ganzen Fakultät, nämlich der Abteilung Geistes- und Sozialwissenschaften, schlicht zur Nebensache werden ließ.

Die Ursache des Wirbels: Das Karlsruher Rechenzentrum hat auf Initiative des Frauenreferats und der Frauenbeauftragten einen ausschließlich Frauen vorbehaltenen Rechnerraum eingerichtet - ein einzigartiger Vorgang an deutschen Universitäten, wenn man von einem kleinen Modellversuch in Paderborn absieht. Zusätzlich zu den rund dreihundert Arbeitsplätzen im Zentrum gibt es jetzt in Karlsruhe noch einmal acht Plätze nur für Studentinnen. Zwei weibliche Hilfskräfte stehen ihren Kommilitoninnen dort an drei Tagen der Woche mit Rat und Mausklick zur Seite.

Brauchen Studentinnen tatsächlich einen eigenen Computerraum? Die Frauenreferentin und die Frauenbeauftragte der Universität sind davon überzeugt. Sie berichten von ferngesteuerten Pornobildchen, die Computerfreaks ihren Kommilitoninnen auf den Schirm gezaubert hätten, und von Striptease-Bildschirmschonern an männlich besetzten Terminals. Vor allem beklagen sie das Arbeitsklima in den Rechnerräumen. Ratsuchende Frauen bekämen statt einer Erklärung von den Männern gleich die Tastatur aus der Hand gerissen. "Schwupp, Tastatur, Maus, klick, klick", sagt die Mitinitiatorin Françoise Bärnreuther, selbst Informatikstudentin. Anschließend seien die Frauen so klug wie zuvor.

Unter den Männern ist unterdessen im Netz eine leidenschaftliche Diskussion pro und contra Frauenrechnerraum entbrannt: "Sollte die Uni nicht versuchen, selbständige Frauen anzulocken, die sich auch nachher im Beruf gut durchsetzen können, statt Frauen, die einen Frauenrechnerraum brauchen?" fragt einer elektronisch. Ein anderer warnt davor, durch Frauenförderung Vorurteile zu verstärken. "Mann denkt: Die haben so was nötig, weil die nicht so schlau sind." Ein Dritter fragt: "Bekommen Männer, die in Frauenberufe vordringen, irgendwelche Sonderrechte?"

Es gibt aber auch Freunde der neuen Einrichtung. "Wenn der Frauenrechnerraum gut genutzt wird, dann ist auch kein Geld verschwendet, denn die Frauen, die hier sitzen, machen ja anderswo Platz frei", sagt einer. Ein Kommilitone betont, daß er den Raum keineswegs als ein Privileg für Frauen ansehe: "Ich war vorhin im Rechenzentrum und habe gleich mehrere Rechnerräume gesehen, in denen nur Männer waren. Für uns gibt's das ja schon lange."

Und was sagen die Frauen selbst? An der elektronischen Diskussion hat sich gerade mal eine Handvoll Studentinnen beteiligt - vorwiegend die für den Computerraum eingestellten Hilfskräfte. In den Rechnerräumen sind Frauen nur vereinzelt anzutreffen, und die haben offenbar keine Probleme mit der Männerwelt um sie herum. "Ich habe oft Leute gefunden, die mir geholfen haben", sagt die Bauingenieurstudentin Evelyn Strunck, "ich fühle mich hier wohl." Die Maschinenbaustudentin Annika Götz, die nur eine Kommilitonin, aber 121 Kommilitonen hat, findet diese "sehr hilfsbereit".

So positive Erfahrungen haben allerdings nicht alle Frauen in der Männerdomäne gemacht. Eine 31jährige Mineralogin bekennt, sie habe sich bisher nicht ins Rechenzentrum getraut, obwohl sie sich gerne mit Computern beschäftigen würde. Eine 25jährige Physikstudentin, die bislang zu Hause gearbeitet hat, will sich künftig mit Kommilitoninnen im Frauenrechnerraum verabreden. Eine 21jährige Informatikerin betrachtet die Geschlechtertrennung nur als vorübergehende Lösung: "Es geht nur darum, daß man hier sein Wissen aufbaut und sich dann im Männerraum behaupten kann."

(C) DIE ZEIT 18.07.1997 Nr.30


 
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