Emil Zopfi:
Kolumne Weltwoche 96/1
Frau im Netz
Herrlich ist das Internet!
Denn im Netz der Netze haben wir Herren vorderhand das Sagen und Surfen.
Auf eine deutsche Umfrage unter 1800
Adressen antworteten bloss 6,2 Prozent Nutzerinnen. Bei meinem Provider
habe ich 260 Männer, aber bloss 8 Frauen gezählt, die eine eigene
Home-Page anbieten. Selbst im Ständerat ist die Frauenquote höher
als im Internet.
Frauen ins Netz! Diese Forderung ist heute politisch so brisant wie jene
nach dem Frauenstimmrecht in der Vergangenheit. Denn im Informationszeitalter
werde sich eine neue Klassengesellschaft herausbilden, schreibt die Münchner
Journalistin Gabriele Hooffacker in ihrem lesenswerten Taschenbuch «Wir
nutzen Netze». Ein Graben bricht auf zwischen den von der Information
ausgeschlossenen «Information poor» und den «Information
rich», welche über den Rohstoff Information verfügen und
den Lebensstil prägen. Und das sollen nicht nur technophile Machos
sein.
Die Präsenz von Frauen
im Netz ist aber nicht nur eine Frage der Macht in der informatisierten
Gesellschaft, sondern auch des Stils. «Dass Pornografie so verbreitet
ist im Netz, rührt auch daher, dass so wenig Frauen in den Netzen
sind», meint die Journalistin Sabine Stampfel aus Düsseldorf.
Ihr Statement gehört zum Inhalt der CD-ROM «ProNet, Frauen ins
Internet», einem Projekt der Weiterbildungsoffensive des Bundes,
realisiert am HyperStudio der Ingenieurschule Muttenz. «Eine Produktion
ausschliesslich von Frauen», betont Projektleiterin Christa Köppel,
Gleichstellungsbeauftragte des Kantons Zürich. Die Scheibe vermittelt
Grundlagen, Anwendungen und Einstieg ins Internet auf hohem ästhetischem
Niveau. Sie soll eine Diskussion über die Rolle der Frauen in der
multimedialen Kultur und in den Netzen in Gang setzen.
Von ProNet können also auch wir Männer lernen. Nicht bloss,
was HTML, Gopher oder TCP/IP bedeuten, sondern welche gesellschaftspolitischen
Visionen sich mit dem neuen Medium verbinden. Wer weiss schon, dass eine
Frau das erste Internet-Café in London eröffnet hat? Eva Pascoe
versteht Cyberia als künstlerisches und soziales Projekt, als «räumliche
Schnittstelle zwischen Arbeit und Heim». Sie sagt: «Cybercafés
sollten von Frauen organisiert werden. Wenn Männer das übernehmen,
haben wir Technik-Clubräume in irgendwelchen dunklen Ecken.»
Als neugieriger Mann hätte ich die Statements von Eva Pascoe und
andern Frauen gerne ausgedruckt, statt nur als Mäusevideo und Bildschirmtext
betrachtet. Leider hat die Software keine Druckfunktion, mann/frau muss
zum Bleistift greifen und die Informationen vom Schirm abschreiben. Dass
Provider-Adressen und Internet-Links schon nicht mehr aktuell sind, zeigt
eine weitere Grenze des Mediums CD-ROM.
Die Scheibe verkauft sich hervorragend, nicht zuletzt dank dem «sozial
verträglichen» Preis von zwanzig Franken. Eine Neuauflage, hoffentlich
aktualisiert, wird in einem deutschen Verlag erscheinen.
Doch was macht frau, wenn sie kein CD-ROM Laufwerk besitzt, also noch
zu den «Information-poor» gehört? Würde nicht eine
einfache Broschüre, die Hintergründe vermittelt und Einstiegshilfe,
der Sache besser dienen? Aktuelle Informationen könnte dann ein Dienst
auf dem Netz selber liefern.
Christa Köppel: «Wir wollten zeigen, dass Frauen auch innovative
Produkte lancieren können.» Das ist gewiss gelungen. Als «zweite
Schiene» bietet ProNet Internet-Einstiegskurse für Frauen an.
Aber auch im Netz selber sind Frauen aktiv geworden. Eine Recherche zum
Stichwort «Frauen» fördert eine Vielfalt von interessanten
Angeboten auf den Schirm, zum Beispiel WOMAN,
ein deutsches Frauen-Mailbox-Projekt, Informationen für Frauen
in der Forschung oder «FEMALE,
die feministische Alternative im Internet». Und wir Herren erfahren
unter dem Stichwort, dass sich die «schönsten Frauen dieser
Welt» aus dem Netz verabschiedet haben wegen überlasteter
Leitungen.
|