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Frauen und Internet


WOMAN e.V.
Ein Projekt zur Förderung von Frauen in den neuen Medien

von Ursula Steck
erschienen in »Neue Medien, neue Gesellschaft«, Schriften zur Medienpädagogik 25, 1997

Neue Medien, weltweite Vernetzung, Datendschungel und elektronische "Superautobahnen": Schwerpunktthemen der letzten Jahre und Phänomene, die dabei sind, sich in den industriellen Kulturen als fester Bestandteil der gesellschaftlichen Bedingungen zu etablieren. So komplex und vielfältig wie die Möglichkeiten der Computer sind auch die Strukturen und Angebote der Netze. Während das Internet mit seinen Diensten wie e-mail und WWW zum Schlagwort geworden ist, sind auch unabhängige Computerverbünde entstanden, deren Verbindung mit dem Internet nur eine sekundäre Eigenschaft ihres Angebots darstellt. Solch ein unabhängiges "Mailboxnetz" war auch das Initialprojekt des Vereins WOMAN e.V.

Lange bevor das Internet für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar war, hatten sich Computerbegeisterte mit Mailboxnetzen eigene Informationsräume und Strukturen geschaffen. Mailboxen bieten die Möglichkeit mit (für heutige Verhältnisse) einfachem technischen Equipment (ein 386er PC genügt vollkommen) unabhängige elektronische Orte einzurichten. Der Zugang zu einer Mailbox ist nur für eingetragene BenutzerInnen frei, wodurch abgeschlossene "sichere" Informations- und Kommunikationsräume entstehen. Die Gründerinnen von wom@n e.V. waren genau von diesen Eigenschaften angeregt: Sie wollten Frauen einen ungestörten Platz im elektronischen Urwald eröffnen. Als 1994 die Mailbox "Femail" im Frauensoftwarehaus in Frankfurt ihren Dienst aufnahm, steckten die öffentlichen Internetdienste zwar noch in den Kinderschuhen, doch die Dominanz von Männern in diesem sich entwickelnden Medium, war bereits deutlich spürbar. In den verschiedenen deutschen Mailboxnetzen verhielt es sich für die wenigen Frauen, die sich hineinwagten, ähnlich: ob sie nun freundlich begrüsst wurden oder elektronisch belästigt, immer befanden sie sich an einem Ort, der eindeutig von Männern nicht nur zahlenmäßig beherrscht, sondern meist auch inhaltlich gestaltet wurde. Auch wenn Mailboxnetze wie "CL" eigene "Nur-Frauen" Foren einrichteten, wurden und werden diese bis heute nicht nur passiv von Männern gelesen, sondern auch aktiv von ihnen mißachtet, indem sie z.B. die dort stattfindenden Diskussionen mit respektlosen Beiträgen stören.

Die Gründerinnen der einzelnen Frauenmailboxen des WOMAN-Netzes, hatten das Ziel, Frauen die Chance zu bieten, auf elektronischem Weg Informationen auszutauschen und miteinander zu kommunizieren. Begeistert von den Möglichkeiten der neuen Technologie, kauften sie Computer, arbeiteten sich in die nötige Software ein, installierten und konfigurierten sie und machten sich auf die Suche nach interessierten Benutzerinnen, die sich mit ihrem PC jederzeit in die Boxen einwählen können. So entstanden seit 1994 sechs Mailboxen in verschiedenen deutschen Städten. Bereits mit ihren klangvollen Namen (ADA:Köln; CONNECTA: Düsseldorf; ELEKTRA: Heidelberg; FEMAIL: Frankfurt; FENESTRA: Hamburg; SIRENE: Berlin) wollen die Betreiberinnen den Eindruck unpersönlicher Technik verändern und Schwellenängste abbauen. Jede Benutzerin hat ein persönliches Postfach für ihre private e-mail. Darüber hinaus gibt es in jeder Box eine Vielzahl sogenannter "Bretter", öffentliche Verzeichnisse zu den unterschiedlichsten Themen (z.B. Politik, Kultur, Kontakte, Frauenforschung etc.) wo Informationen veröffentlicht und Diskussionen geführt werden können. Benutzerinnen sind einzelne Frauen, aber auch Frauengruppen und -projekte wie z.B. der Journalistinnenbund, Medica Mondial u.v.m.

Die Themenstruktur bestimmt das Profil einer Box. Jede der Boxen ist heute ein unabhängiges Projekt der jeweiligen Betreiberinnen. Durch das Netzwerk WOMAN, zu dem sich die Boxen 1995 zusammengeschlossen haben, sind sie jedoch auch miteinander verbunden und haben sich auf bestimmte Grundstandards geeinigt. Mehrmals täglich tauschen die Boxen bundesweit einen Großteil ihrer Informationen aus und ermöglichen dadurch jeder Userin, auch Daten aus anderen Boxen als der eigenen zu empfangen. Durch den begrenzten Datenaustausch mit bestimmten Internet-Servern ist der Versand und Empfang von elektronischer Post im Internet (national und international) plus aller angeschlossenen Netzwerke möglich. Auch andere Mailboxnetze kooperieren mit WOMAN (so z.B. das andere deutsche Frauennetz FEMNET und das bereits erwähnte alternative Netz "CL") und tauschen Daten aus. Es bleibt jedoch stets sichergestellt, daß die WOMAN-internen Daten geschützt und ausschließlich dem Zugriff von Frauen geöffnet sind.

Zeitgleich mit dem Zusammenschluß der Mailboxen im WOMAN Verbund wurde 1995 auch der Verein wom@n e.V. gegründet. Was zuerst vor allem als Organ des Mailboxnetzes geplant war, entwickelte sich durch das Engagement der Mitfrauen zu einem "Verein zur Förderung von Frauen in den neuen Medien". Die Projekte des Vereins sind so vielfältig wie die elektronischen Interessen der Beteiligten.

Mit den wachsenden Dimensionen des WWW auch in den deutschsprachigen Ländern entstand z.B. der Plan, auch im Web einen Ort zu schaffen, an dem Informationen speziell für Frauen aufgearbeitet und zur Verfügung gestellt werden. Genauso sollte ein Sprungbrett in die chaotische Vielfalt des weltweiten Netzes mit Wegweisern zu anderen Frauen-Sites entstehen. Sabine Stampfel, Gründerin und Mitbetreiberin der Kölner Frauenmailbox ADA, stellte 1994 die ersten Seiten ins WWW. Ab 1995 dann unter eigener Domain: "www.woman.de". Die elektronischen Hexen auf der Startseite regieren heute über das umfangreichste deutschsprachige Informationsangebot für Frauen im WWW. Links zu den Sites von Frauenprojekten und einzelnen Frauen in der ganzen Welt sind hier zusammengestellt, und im "Woman Online Verzeichnis" werden deutsche und internationale Frauenprojekte vorgestellt, verzeichnet und vernetzt. Es besteht für Projekte und private Interessierte das Angebot, sich auf einer eigenen Seite, die für sie geschrieben und ins Web gesetzt wird, zu präsentieren.

1995 war das Jahr internationaler Abenteuer für wom@n e.V. Um ihr know-how mit Frauen vor allem aus den Ländern Osteuropas zu teilen, um sich auszutauschen und gegenseitig zu trainieren, fuhren Petra Teuschel (von der Mailbox "Elektra", Heidelberg) und Sabine Stampfel zur "Internationalen Frauen-Lernkonferenz Hippopotamus" nach Slowenien. Dort verbrachten sie zwei hochinteressante und herausfordernde Wochen. Sie schufen mit tragbaren Computern Verbindungen zu den Frauenmailboxen, gaben Einführungen in die Benutzung von Netzwerken und installierten ein elektronisches Frauencafe, wo Teilnehmerinnen der Konferenz sich mit Frauen in anderen Ländern direkt austauschen konnten. Die Grenzen der Technologie deuteten sich dort einzig an, als die Feuchtigkeit auf dem in einem Tal gelegenen Zeltplatz auch begann, nicht nur den Knochen der Camperinnen, sondern auch Petras Notebook zuzusetzen.

Kurz darauf reiste wom@n e.V. noch weiter. Sabine beschloß, den Weg zur UNO Frauenkonferenz im September 1995 in Beijing nicht bequem und langweilig mit dem Flugzeug zurückzulegen, sondern sie fuhr die Strecke im UN-Sonderzug von Paris über Warschau und Moskau durch die Mongolei nach China. Auf der 10 Tage langen Reise war auch noch einmal Petras Notebook im Einsatz. Während der Zug im immer gleichen Rhythmus durch die Wüste Gobi schnaufte, waren die mehr als 200 Frauen an Bord mit den Vorbereitungen für Beijing beschäftigt. E-mail-Training und Web-Publishing waren die am meisten besuchten Workshops auf der Fahrt. Und so hatten die beiden Trainerinnen Sabine und ihre amerikanische Kollegin Kathryn Turnipseed von den "Electronic Witches" alle Hände voll zu tun. Die Reisenden, größtenteils NGOs (Delegierte von Nichtregierungsorganisationen) konnten ihre frisch erworbenen Kenntnisse dann auch sofort anwenden und während der Konferenz direkt aus Beijing per e-mail ihren Kolleginnen zu Hause berichten, was vorging.

Auch wenn die Projekte von wom@n e.V. seitdem nicht mehr ganz so offensichtlich abenteuerlich waren, sind doch interessante Wege beschritten worden. Die Gründung und Betreuung des Mädchen-Mailbox-Clubs im Mädchentreff "Café Clever" in Düsseldorf durch Karen Lehmann gehörte dazu, genauso wie regelmäßige Kurse, Materialien und technische Unterstützung von Einsteigerinnen und Fortgeschrittenen in den elektronischen Medien. In Hamburg wurde von Nicola Tiling, einer der Betreiberinnen der Mailbox "Fenestra", das "FrauenInternetProjekt" aufgebaut, mit WWW Seiten für Einsteigerinnen und internetbegeisterte Userinnen. In Düsseldorf konnte die Mailbox "Connecta" in einem bereits seit Jahren bestehenden Kommunikationsprojekt für Frauen "komma" untergebracht werden. Nora Etukudo, Betreiberin der "Sirene" in Berlin, die sowohl als Mailbox als auch als Internetserver fungiert, betreut die Mailinglisten "Frauenliebe" und "Nur-Frauen", zwei elektronische Diskussionsgruppen zu Themen, die von Teilnehmerinnen laufend neu bestimmt werden.

Eine neue Herausforderung ist die Einrichtung und Betreuung von temporären Internetcafés während Messen und Konferenzen. Im April 1996 wurde solch ein Café bei der Bundeskonferenz der kommunalen Frauenbüros in Nürnberg installiert und im Juni 1997 bei der Frauenmesse "Top'97" in Düsseldorf.

Der Verein wom@n e.V. lebt von den Fähigkeiten und dem Engagement der Mitfrauen, die frauenpolitische Initiative mit der Begeisterung und dem know-how für die neuen Medien verbinden. Ihr Herangehen an moderne Technologie ist geprägt vom kritischen Sinn für Nutzen und Vorzüge, aber auch die Gefahren, die den weltweiten Netzen zueigen sind. Ein Bewußtsein, das von der Kenntnis des Gebietes getragen ist. Diese Sicherheit, wo vage, ungreifbare Ängste von Selbstbewußtsein im Umgang mit Kommunikationstechnologie ersetzt werden, möchten sie möglichst vielen Frauen vermitteln. Eine Haltung konkreter Aufmerksamkeit aus der kreative Freude am Umgang mit Computern und Netzwerken entsteht.

© U.Steck

 
 
© 1994 WOMAN